Projekte

Lunatecc 2.0 (2019)

Zwei Jahre nach unserem ersten erfolgreichen Flug waren wir bereit für den nächsten Start: Lunatecc 2.0. Wir haben der Payload ein 360° Kamerasystem hinzugefügt bestehend aus 4 Raspberry Pi Zero Cams mit 170° Fisheye-Objektiv. Das Bildformat haben wir auf 4:3, die Auflösung auf 1080×1440 portrait eingestellt und für die perfekte Rundumsicht diesmal alles in eine Styropor-Kugel mit einem Durchmesser von 25cm eingebaut.

Zusammenbau von Korb und Technik vor dem Start

Zum Ansteuern der Kameras haben wir einen Raspberry Pi 3 B+ zum Hotspot ausgebaut und sind dadurch in der Lage, insgesamt 5 Pi Zero W in einem lokalen Netzwerk zusammenzuschalten. Unser kleines Rechenzentrum haben wir anschließend auf eine Höhe von 25km geschickt.

Styroporkugel mit Kamerasystem und Netz

Zunächst aber haben wir unser Adafruit GPS Modul vom letzten Start gegen einen UBlox Max ausgetauscht, denn das GPS hatte damals bereits ab einer Höhe von 200m keine Positions- und Höhendaten mehr gesendet. Das hat uns beim Suchen nach der Landestelle ziemlich ins Schwitzen gebracht 😅. Um diesmal sicher zu gehen haben wir zunächst einen Testflug mit der Flugschule Hildesheim unternommen.

Testflug mit einer Savage

Der Testflug in einer Savage ging am 23.07.2019 bei strahlend blauem Himmel auf 5000 Fuß Höhe und verlief sehr erfolgreich. Das GPS sendete während des gesamten Flugs Position und Höhe mittels RockBlock über das Iridium-Satellitennetzwerk auf unsere Webseite, und die Teamkollegen konnten den Flugverlauf auf unserer Live-Karte am Boden verfolgen. Vielen Dank an Anja und Guido Platzer, Hans Rickert und den Piloten Jens Tamoszus, die diesen tollen Flug möglich gemacht haben!

Nun waren wir bereit für die Anmeldung: Genehmigung des Grundstückseigentümers, Haftpflichtversicherung und Antrag bei der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr. Vielen Dank an Frau Lagershausen für die wie immer prompte Bearbeitung und den Bescheid!

Füllen des TOTEX 1500 mit 20 Liter Helium (Ballongas)

Am Sonntagmorgen, den 4. August 2019 haben wir uns alle wieder wie beim letzten Start in Mackensen bei Dassel getroffen und den Start vorbereitet. Die Wolken verzogen sich und wir hatten bald Startwetter wie aus dem Bilderbuch. Ganz herzlichen Dank an die Familie Friedl für die wie immer tolle Bewirtung und das ideale Grundstück für den Aufstieg!

Abschirmung der Antennen von GPS und RockBlock gegen den Prozessor des Raspberry Pi

Unsere „Packliste“ war diesmal etwas umfangreicher als beim letzten Mal:

  • Raspberry Pi 3 B+ mit WIFI on board,
  • 5 Raspberry Pi Zero W,
  • 2 Luftdruck- und 2 Temperatursensoren inkl. Luftfeuchtigkeitsmesser,
  • Beschleunigungssensor, Beeper, Flashlights,
  • GPS UBlox Max,
  • RockBlock Modem,
  • 4 Raspberry Zero Cams, GoPro Hero Session,
  • Akku 10.000mAh und
  • Fallschirm.

Die Nutzlast betrug 1.000g, das Gesamtgewicht lag bei 2.500g, die Flächendichte bei 1,6g/cm2. Der Korb hängt an einer speziellen Schnur am Ballon, die bei einer Zugkraft von 200N reißt. Dementsprechend vorsichtig muss das Auflassen vom Boden erfolgen.

Startbereit

Nach Abschluss der Startvorbereitungen konnte es losgehen. Wir sind um 16 Uhr bei nahezu wolkenlosem Himmel und klarer Sicht gestartet. Das folgende GoPro-Video zeigt den Start aus Sicht des Ballons.

Start am 04.08.2019

Der Flug verlief ruhig und stetig Richtung Süd-Osten unter dem Südharz entlang. Der Ballon stieg auf eine Höhe von 24.782m und platzte dann. Der Luftdruck in dieser Höhe betrug noch 13mbar. Auf der Höhe von 12.100m betrug die Außentemperatur -40°C, die Innentemperatur im Korb stieg dagegen teilweise bis auf knapp 60°C, das bedeutet einen Temperaturunterschied von 100°C.

Flugverlauf

Sowohl die GoPro als auch die Zero Cams liefern atemberaubende Bilder vom Flug. Wir sind momentan noch dabei alles zu sichten und stellen dann ein Video für die Webseite zusammen. Die Sensoren haben 425MB an Daten aufgezeichnet. Auch diese werten wir noch aus und stellen Sie für euch hier auf der Seite zusammen.

Marvin

Auch der UBlox Max GPS Tracker lieferte leider ab einer Höhe von ca. 12km keine Daten mehr, meldete sich dann aber wieder beim Abstieg des Ballons. Nach ca. dreinhalb Stunden Flugzeit landete „Marvin“wieder auf der Erde im kleinen Örtchen Trebra in Thüringen. Wir hatten eine entspannte Fahrt von Mackensen Richtung Südharz im Sonnenuntergang und fanden alles auf den Meter genau, wie es uns unser zusätzlicher GPS-Tracker Trackimo angezeigt hat.

Trebra in Thüringen

Für den nächsten Start haben wir uns wieder einige Verbesserungen vorgenommen:

  • Den BMP im Ballon sicher zum Laufen bringen und
  • anhand dieser Werte den Ballon vor dem Platzen automatisch abtrennen.
  • GPS während der Ausfallzeiten durch die RockBlock-Werte ersetzen.
  • Gewicht weiter reduzieren.
  • Hauptschalter für Gesamtsystem außen, erst kurz vor dem Start einschalten.
  • Uhrzeit auf dem Raspi vor dem Start checken und einstellen.

Die Vorbereitungen für Lunatecc 3.0 haben also schon begonnen 😃🚀

Stay tuned!

Lunatecc 1.0 (2017)

Anfang 2016 haben wir begonnen, unseren ersten Schritt Richtung Exosphäre zu planen, “Lunatecc 1.0”. Die Aufgabe lautete, unsere theoretischen Berechnungen für den Aufstieg eines unbemannten Freiballons bis in ca. 40 km Höhe anhand der Aufzeichnung konkreter Messdaten zu überprüfen und den Aufstieg mit Videos zu dokumentieren. Während des gesamten Fluges sollte direkter Kontakt zum Ballon bestehen.

Zunächst haben wir alle für einen solchen Auf- und Abstieg relevanten Parameter in einer Exceltabelle zusammengetragen und anhand bekannter Formeln in Abhängigkeit von der Zeit berechnet. Auf diese Weise wissen wir zum Beispiel, wann unser Ballon welche Höhe erreicht, welche Temperatur und welcher Luftdruck dort herrschen und wie sich die Erdanziehung verringert.

Die Abbildung oben zeigt den tatsächlichen Höhenverlauf am Flugtag.

Um nun die Daten auch empirisch verifizieren zu können, haben wir uns beim Deutschen Wetterdienst nach einem geeigneten Wetterballon erkundigt. Wir haben uns für einen TOTEX 1500 entschieden und zwei Stück davon in Saitama, Japan bestellt (Totex Corporation).

Der Ballon besteht aus Latex, wird am Boden mit ca. 3.600 Gasliter Helium gefüllt (komprimiert als 20 Liter-Flasche im Baumarkt erhältlich) und erreicht schließlich ein Volumen von 555 m3, bevor er platzt. Beim Aufstieg sinkt der Luftdruck auf unter 1 Millibar, dadurch dehnt sich der Ballon immer stärker aus. Auf diese Weise können wir eine Nutzlast von max. 1.500 Gramm bis in knapp 40 km Höhe transportieren.

Die Nutzlast besteht aus einer Styropor-Box, in deren Boden eine GoPro HERO Session Camera eingelassen ist. Mit einem Gewicht von nur 74 Gramm liefert sie fantastische HD Videos über ca. 2 Stunden Akkulaufzeit. Zusätzlich ist in die Außenwand der Box noch eine ultraleichte Raspberry Pi Camera eingebaut für Aufnahmen vom Horizont.

Die Halterungen für die GoPro sowie die Führungen für die Seile, die die Box umschließen, haben wir selbst konstruiert und aus Kunststoff mit einem 3D-Drucker hergestellt. Auch das System zum Befüllen des Ballons mit Helium haben wir auf diese Weise hergestellt, bestehend aus einem Stopfen für den Ballon, einem Anschlußstück für den Schlauch zur Helium-Flasche und einem Stöpsel zum Verschließen.

Im Inneren der Box befindet sich ein Raspberry Pi 2 Minicomputer mit einem Sense HAT. Dieser ist mit verschiedenen Sensoren zur Messung von Temperatur, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit und Beschleunigung bestückt. Auf der der Raspberry Pi Camera gegenüberliegenden Außenseite haben wir noch einen weiteren Temperatur- und Feuchtigkeitssensor installiert, um die Außentemperatur besser messen zu können. Ein Adafruit Ultimate GPS liefert uns während des gesamten Fluges die Position, die Höhe, die Geschwindigkeit und den Kurs. Versorgt wird das ganze mit einem XP5000 5V Akku von Energizer. Dieser wiegt nur 133 Gramm und hält etwa 7 Stunden, selbst während unserer Tests in der Kältekammer bei -20 °C. Als redundantes GPS-System zum Wiederauffinden der Landestelle haben wir einen Trackimo verwendet, dieser wiegt 42 Gramm inkl. Akku.

Eine Herausforderung war es, die Kommunikation während des gesamtes Fluges aufrecht zu erhalten. Die gängigen Mobilfunknetze kommen hierfür wegen der großen Höhe nicht in Frage, Richtfunk war uns im ersten Schritt zu aufwendig. Eine empfehlenswerte Lösung ist der RockBLOCK Mk2 von Rock Seven. Hierbei handelt es sich um ein über USB anschließbares Modem, welches in der Lage ist, bidirektional Daten über das weltweite Iridium Satellitennetzwerk zu übertragen.

Dieses ursprünglich von Motorola entwickelte Kommunikationssystem besteht aus 66 Satelliten, die die Erde in einer Höhe von 780 km umkreisen. Die Kommunikation mit Iridium ist von jedem Standort auf der Erdoberfläche jederzeit möglich, wenn klare Sicht zum Himmel in alle Richtungen ab einem Höhenwinkel von 8,2° besteht. Um diese Voraussetzung zu gewährleisten, haben wir den RockBLOCK so in den Deckel unserer Box integriert, dass die Antenne stets freie Sicht zum Himmel hat.

Da die Übertragung pro Sendevorgang vom RockBLOCK zur Erde auf 340 Bytes beschränkt ist (270 Bytes in die die andere Richtung), übertragen wir zwar keine Live-Bilder, aber dafür alle wesentlichen Daten während des Fluges. Diese könnt ihr bei jedem unserer Flüge in unserem Live-Blog mitverfolgen. Bei unserem Aufstieg am 22.07.2017 über Mackensen / Hannover haben wir eine Höhe von 37.401 Metern erreicht. Der Luftdruck beträgt dort oben nur noch 0,47 Millibar, die Erdbeschleunigung 9,51 G. Die Außentemperatur sank zeitweise bis auf -39,9 °C.

Um unsere kostbaren Daten und Videos sicher wieder zur Erde zu bringen und niemanden zu gefährden haben wir das gesamte System wie vorgeschrieben mit einem Fallschirm ausgestattet. Der Fallschirm ist zwischen der Box und dem Ballon so angebracht, dass er bereits beim Aufstieg unten leicht geöffnet ist. So kann er sich schnell entfalten, wenn der Ballon am höchsten Punkt des Aufstiegs platzt. Gemäß den deutschen und europäischen Bestimmungen haben wir unseren Flug der Deutschen Flugsicherung gemeldet und bei der Luftfahrtbehörde Niedersachsen genehmigen lassen. Das war in unserem Fall problemlos möglich, da der Ballon samt Nutzlast in die SERA-Klassifizierung “leicht” fällt.

Die vollständigen Messdaten zu unserem Flug am 22.07.2017 findet ihr hier. Und hier das Video :-).

Wir starten direkt durch zu unserem nächsten Flug “Lunatecc 2.0” im Sommer 2019. Unser neuer Mann im Team, Christian Seefisch, konstruiert uns eine Lösung, um die Payload und damit die Kameras während des Fluges ruhiger zu halten. Oliver Albers arbeitet an einer 360° Rundum-Sicht. Außerdem verbessern wir das GPS-Tracking und den Fallschirm.

Stay tuned!